Lob der Stoffwechselerkrankung
Einkaufen an sich ist ja kein Problem: Obst und Gemüse vom Wochenmarkt, Milch, Käse, Saft und Schokolade beim Discounter, Brot und Brötchen beim Bäcker von nebenan. Schwierig allerdings wird es beim Kauf einer neuen Hose oder eines Jacketts. Den Kauf eines Jacketts etwa schiebe ich immer lange vor mir her. Und wenn es sich schließlich nicht länger aufschieben lässt, dann ziehe ich etwas unwillig los und breche die Aktion meist schon nach der zweiten Anprobe ab. Die Gründe hierfür sind zahlreich.
Erstens: Ich brauche ja nur ein neues Jackett. Warum also muss ich 11 Jacketts anziehen, um schließlich festzustellen, dass keines das richtige ist? Zu groß, zu konservativ, zu viele Taschen, zu klein, zu modern, zu lang, zu wenige Taschen, zu blass, zu billig, zu teuer, zu unpassend. Ich bin nicht wählerisch. Aber warum hängen in den Läden dermaßen viele Jacketts, die ich nicht haben möchte?
Zweitens: Anproben sind umständlich. Selbst bei Jacketts. Zugegeben: die vollgestopften Plastiktüten mit meinen Wochenendeinkäufen hätte ich besser vorher nach Hause gebracht. Jetzt stehen sie irgendwo zwischen den Tischen voller Hemden und Pullover. Und wenn ich zum nächsten Drehständer mit den Jacketts aufbreche, müssen die schweren Tüten natürlich mit und Schal und Mantel auch.
Drittens: Verkäufer oder Verkäuferinnen scheinen immer genau in dem Moment den Laden fluchtartig zu verlassen, sobald ich ihn betrete. Es ist schlimmer als im Baumarkt. Beratung: Fehlanzeige.
Viertens schließlich: Ich bin entnervt. Denn Lust, mir ein neues Jackett zu kaufen, hatte ich zu keiner Zeit. Und zuhause kommt der Ärger über die verplemperte Zeit dazu. Und der Unmut darüber, dass in absehbarer Zeit die gleiche Tortur wieder ansteht.
Schlimmer, als alleine einzukaufen, ist nur, eine Frau beim Einkauf zu begleiten. Allein schon deshalb, weil sich auch bei angestrengtestem Nachdenken das Rätsel nicht lösen lässt, warum Frauen einkaufen, ohne etwas zu brauchen. Nicht nur freiwillig, sondern leidenschaftlich. Ich habe es aufgegeben nach einer Antwort zu suchen. Stattdessen folge ich nun dem versteckten Rat meiner Tochter: „Du hast ja keine Ahnung, Papa. Frauen sind stoffwechselkrank. Sie müssen einkaufen!“ Richtig. Gefühlte 99% aller Kunden in Boutiquen und Bekleidungsgeschäften sind weiblich. Frauen müssen einkaufen. Sie unterliegen ganz offensichtlich einem genetisch bedingten Kaufzwang, den sie im Idealfall nur durch ihren guten Geschmack rechtfertigen können.
Um wie viel leichter also fällt die Suche nach einem Jackett in weiblicher Begleitung. Geduldig, ausdauernd und unermüdlich empfiehlt meine Bekannte mir ein Jackett nach dem anderen. Diesen Laden könne man ganz vergessen. Sie kenne da noch eine schicke Boutique in einer Seitenstraße, wo wir bestimmt fündig würden. Sie hat die Einkaufstaschen im Blick und hält auch schon mal Mantel und Schal. Jeder Geschäftsführer freut sich über einen Kunden mit einer solchen Begleitung. Er spart das Verkaufspersonal.
Wir sind Stunden unterwegs. Während sich bei mir erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar machen, scheint meine Begleiterin erst jetzt, nach sechs Geschäften (oder waren es sieben? Oder acht?), richtig in Fahrt zu kommen. Je mehr Jacketts ich anprobiere, umso überzeugter ist sie, dass ich ein echter „Jackett-Typ“ sei und auch mal etwas ganz ausgefallenes tragen könne. Ihr überzeugter und überzeugender Zuspruch zusammen mit meinem völligen Erschöpfungszustand führen schließlich, kurz vor Geschäftsschluss und Einbruch der Dunkelheit, zum Kauf eines bei Lichte betrachtet ordinären Jacketts, das ich Wochen zuvor bereits als völlig unpassend wieder auf den Bügel getan hatte.
Ich denke, dass das Jackett zeitlos ist. Jedenfalls werde ich es mit besonderer Sorgfalt behandeln, um einen Neukauf in möglichst weite Ferne zu rücken.
Diese und alle bisher erschienenen Kolumnen finden Sie unter http://www.freiehonnefer.de/category/weltweit/lesezeichen
Erstens: Ich brauche ja nur ein neues Jackett. Warum also muss ich 11 Jacketts anziehen, um schließlich festzustellen, dass keines das richtige ist? Zu groß, zu konservativ, zu viele Taschen, zu klein, zu modern, zu lang, zu wenige Taschen, zu blass, zu billig, zu teuer, zu unpassend. Ich bin nicht wählerisch. Aber warum hängen in den Läden dermaßen viele Jacketts, die ich nicht haben möchte?
Zweitens: Anproben sind umständlich. Selbst bei Jacketts. Zugegeben: die vollgestopften Plastiktüten mit meinen Wochenendeinkäufen hätte ich besser vorher nach Hause gebracht. Jetzt stehen sie irgendwo zwischen den Tischen voller Hemden und Pullover. Und wenn ich zum nächsten Drehständer mit den Jacketts aufbreche, müssen die schweren Tüten natürlich mit und Schal und Mantel auch.
Drittens: Verkäufer oder Verkäuferinnen scheinen immer genau in dem Moment den Laden fluchtartig zu verlassen, sobald ich ihn betrete. Es ist schlimmer als im Baumarkt. Beratung: Fehlanzeige.
Viertens schließlich: Ich bin entnervt. Denn Lust, mir ein neues Jackett zu kaufen, hatte ich zu keiner Zeit. Und zuhause kommt der Ärger über die verplemperte Zeit dazu. Und der Unmut darüber, dass in absehbarer Zeit die gleiche Tortur wieder ansteht.
Schlimmer, als alleine einzukaufen, ist nur, eine Frau beim Einkauf zu begleiten. Allein schon deshalb, weil sich auch bei angestrengtestem Nachdenken das Rätsel nicht lösen lässt, warum Frauen einkaufen, ohne etwas zu brauchen. Nicht nur freiwillig, sondern leidenschaftlich. Ich habe es aufgegeben nach einer Antwort zu suchen. Stattdessen folge ich nun dem versteckten Rat meiner Tochter: „Du hast ja keine Ahnung, Papa. Frauen sind stoffwechselkrank. Sie müssen einkaufen!“ Richtig. Gefühlte 99% aller Kunden in Boutiquen und Bekleidungsgeschäften sind weiblich. Frauen müssen einkaufen. Sie unterliegen ganz offensichtlich einem genetisch bedingten Kaufzwang, den sie im Idealfall nur durch ihren guten Geschmack rechtfertigen können.
Um wie viel leichter also fällt die Suche nach einem Jackett in weiblicher Begleitung. Geduldig, ausdauernd und unermüdlich empfiehlt meine Bekannte mir ein Jackett nach dem anderen. Diesen Laden könne man ganz vergessen. Sie kenne da noch eine schicke Boutique in einer Seitenstraße, wo wir bestimmt fündig würden. Sie hat die Einkaufstaschen im Blick und hält auch schon mal Mantel und Schal. Jeder Geschäftsführer freut sich über einen Kunden mit einer solchen Begleitung. Er spart das Verkaufspersonal.
Wir sind Stunden unterwegs. Während sich bei mir erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar machen, scheint meine Begleiterin erst jetzt, nach sechs Geschäften (oder waren es sieben? Oder acht?), richtig in Fahrt zu kommen. Je mehr Jacketts ich anprobiere, umso überzeugter ist sie, dass ich ein echter „Jackett-Typ“ sei und auch mal etwas ganz ausgefallenes tragen könne. Ihr überzeugter und überzeugender Zuspruch zusammen mit meinem völligen Erschöpfungszustand führen schließlich, kurz vor Geschäftsschluss und Einbruch der Dunkelheit, zum Kauf eines bei Lichte betrachtet ordinären Jacketts, das ich Wochen zuvor bereits als völlig unpassend wieder auf den Bügel getan hatte.
Ich denke, dass das Jackett zeitlos ist. Jedenfalls werde ich es mit besonderer Sorgfalt behandeln, um einen Neukauf in möglichst weite Ferne zu rücken.
Diese und alle bisher erschienenen Kolumnen finden Sie unter http://www.freiehonnefer.de/category/weltweit/lesezeichen
colonna - 20. Mär, 17:34