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Jetzt zugreifen: Sandalen plus Auto für 3.600 Euro!

Sie zieren die Füße von Beyoncé, Victoria Beckham und Madonna – und kosten ein kleines Vermögen. Rund 1.800 Euro muss die modebewusste und exzentrische Kundin für die „Spicy Sandals” von Louis Vuitton hinblättern. Das entspricht etwa dem Monatslohn einer Erzieherin, einem 10tägigen Karibikurlaub oder - einem Kleinwagen.

Tatsächlich bietet der chinesische Autohersteller Geely ab 2012 ein Auto für läppische 1.800 Euro an, das, anders als die Luxustreter von Louis Vuitton, serienmäßig sogar mit Airbag ausgestattet sein soll. Wer in einem solchen Wagen unterwegs ist, kann getrost auf die französischen Edelschlappen verzichten und auf ein Paar Billigsandalen aus dem Discounter zurückgreifen.

Zynisch und unmündig

Ein Paar Luxussandalen so teuer wie ein Auto oder vielmehr ein Auto so billig wie ein Paar Luxussandalen? Über den Wert der Dinge sagen Preise ziemlich wenig aus. Schon dem irischen Schriftsteller Oscar Wilde galt ein Mensch, der von jedem Ding den Preis und von keinem den Wert kennt, als Zyniker. Wenn das stimmt, dann sind wir längst zu einer Gesellschaft von Zynikern mutiert. Denn immer öfter entscheidet nicht die Frage danach, was wir wirklich brauchen über den Kauf, sondern allein die Verlockung ein vermeintlich gutes Geschäft, ein Schnäppchen zu machen. Dass unser Gehirn dabei zum willenlosen Opfer von Gier, Geiz und Geilheit wird, ist mittlerweile sogar wissenschaftlich belegt.

Rationale Kaufentscheidungen verkümmern zur gesellschaftlichen Randerscheinung. Der moderne Konsument ist längst zum gefügigen Zahlmeister geworden, zu einer willfährigen Symbiose aus Bequemlichkeit und Machtlosigkeit. Ganz so, wie ihn sich die findigen Werbe- und Marketingstrategen schon immer gewünscht haben: Zynisch und unmündig.

Alles hat seinen Preis

Während die einen das Auto zum Preis eines Monatslohns als „Wohlstand für alle“ begrüßen, als wahren Fortschritt und „Demokratisierung der Mobilität“, weisen Kritiker auf die oft makabren Ursachen niedriger und niedrigster Preise hin: Lohndumping, unmenschliche Arbeitsbedingungen, Hungerlöhne und den Mangel an Mitbestimmung und politischer Freiheit der Bevölkerung in den produzierenden Billiglohnländern.

Das hippe iPhone etwa wäre hierzulande ziemlich unerschwinglich und kaum mehr an den Mann zu bringen, wenn es Hersteller wie die chinesischen Foxconn-Werke nicht gäbe. Die nach einer Selbstmordserie von Arbeitern in die Schlagzeilen geratene Monster-Fabrik sichert mit niedrigsten Herstellungskosten auch anderen Weltkonzernen wie Hewlett-Packard, Nokia und Nintendo lukrative Absatzmärkte. - Alles hat eben seinen Preis. Vor allem der niedrige.

„Was es alles gibt, was ich nicht brauche!“

Statt nach Nutzen und Wert der Dinge zu fragen und ihren Erwerb nach Bedarf und Bedürfnissen auszurichten, geben wir uns dem Kaufrausch hin. Längst machen wir keine rationalen Anschaffungen mehr und treffen nüchterne Kaufentscheidungen. Vielmehr sind wir zu hörigen und verzückten Jüngern in den Kathedralen des 21. Jahrhunderts geworden, in den Einkaufspassagen und Shopping-Malls, den Discountern, Factory Outlet Centern und Schnäppchen-Märkten mit Öffnungszeiten bis Mitternacht. Im Konsum vollführen wir einen Akt lustvoller Sinnstiftung. Da der allerdings nur von kurzer Dauer ist, verlangen wir nach immer neuen Befriedigungen, die wir im Rausch von Geiz und Geilheit, von Überfluss und Überdruss auf Wühltischen und in Warentempeln finden.

Wir haben „Wahnsinns-Preise“ und sind „doch nicht blöd“. Spielverderber hinten anstellen oder am besten gleich draußen bleiben. Konsumkritik „Nein Danke!“

Ausgerechnet ein Grieche rief, angesichts der Kauf- und Konsumfreude seiner Zeitgenossen, aus: „Was es alles gibt, was ich nicht brauche!“ Das war vor rund 2000 Jahren, der Euro-Rettungsschirm war noch nicht erfunden und der Mann hieß Aristoteles. Offenbar beruht der Fortschritt auf dem allgemeinen Verlangen des Menschen, über seine Verhältnisse zu leben.

Dieser Beitrag erscheint, ebenso wie weitere "Lesezeichen", bei Rhein-Onliner, dem Magazin für eine bessere Welt.

Das schönere Wort für Mundgeruch

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, heißt es. Wenn es sich dabei allerdings um Deodorant oder Mundwasser handelt, kann es mit der Freundschaft schnell vorbei sein. Auf den direkten oder auch freundlich verpackten Hinweis, dass wir unangenehm riechen, reagieren die meisten Menschen äußerst empfindlich. Dabei ist übler Geruch ein echter Kommunikationskiller.

Wer privat, vor allem aber beruflich viel mit Menschen zu tun hat, etwa Verkaufsgespräche führt, Kunden bedient, mit Kollegen oder dem Chef beim Meeting sitzt, weiß, dass der viel beworbene „frische Atem“ Sicherheit gibt. Der flüchtig-verstohlene Selbsttest mit vorgehaltener Hand ist dabei allerdings wenig aussagekräftig.

Versprechen mit kurzfristiger Wirkung

Der Ungewissheit darüber, ob der eigene Atem dazu führt, dass sich Gesprächspartner abwenden oder einen nachhaltig unangenehmen Eindruck mitnehmen, begegnen viele mit der Verwendung von Mundwässern, Kaugummis oder Bonbons und Pastillen, die einen frischen Atem versprechen. Doch die beim bakteriellen Abbau von organischem Material in der Mundhöhle entstehenden übelriechenden Schwefelverbindungen können so im besten Fall nur kurzfristig überlagert werden.

Bakterienherd Zunge

Entgegen der landläufigen Meinung, dass die Ursache für Mundgeruch am persönlichen Speiseplan liegt, vornehmlich Alkohol, Knoblauch und Zigaretten, weiß man heute, dass diese Faktoren nur einen ganz geringen Anteil an der Halitosis, wie Zahnmediziner den Mundgeruch nennen, haben. Hartnäckiger Mundgeruch entsteht in der Regel vielmehr durch Unreinheiten oder Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Und zu über 40 Prozent liegt die Ursache für Mundgeruch auf der Zunge, wo sich über die Hälfte aller in der Mundhöhle existierenden Bakterien befinden. Konsequente Mundhygiene ist also unverzichtbar. Objektive Ursachenforschung jedoch bietet darüber hinaus die Möglichkeit frühzeitig sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch einzugreifen.

Alarmsignal Mundgeruch – Ursachenforschung und Behandlung

Zur Messung des Schwefelgehalts des Atems kommt ein kleines, unscheinbares Gerät zum Einsatz. Dem Patienten wird ein an einem Schlauch befestigter Strohhalm in den Mund gehalten. „Atmen, nicht blasen!“ Anders als beim Alkoholtest atmet der Patient ruhig weiter. Die Atemluft wird in dem Gerät auf Schwefelanteile analysiert. Nahezu zeitgleich wird das Ergebnis dann am Computer in einer farbigen Kurve dargestellt.

„Wir haben mit dieser Methode die Möglichkeit den Grad der Halitosis in Form des Schwefelanteils im Atem objektiv zu messen“, erklärt Dr. Stephan Delschen, der sich auf die noch wenig verbreitete Halitosisbehandlung spezialisiert hat. „Wir führen in unserer Praxis sogenannte Mundgeruchs-Sprechstunden durch. Hier erfahren die Patienten, ob ihre Atemluft Schwefelanteile enthält. Die Ergebnisse der Messungen entscheiden dann darüber, ob der Patient in unserer Prophylaxe- Abteilung weiter behandelt wird oder welche anderen Maßnahmen zu treffen sind.“

Vorsorge stärkt die Eigenverantwortung

Die Resonanz auf die unkomplizierte und effektive Halitosis-Analyse und –Behandlung wächst ständig. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die „Me¬dical+Dental Suite“, wo Dr. Stephan Delschen arbeitet, ihren Sitz im Köln-Bonner Flughafen hat. Praxisinhaber Jochem Heibach hat gute Erfahrungen vor allem mit den zahlreichen Geschäftsreisenden gemacht, die das Angebot nutzen. „Weil es bei uns keine Wartezeiten gibt, nehmen viele Reisende die Gelegenheit wahr und gehen auf Nummer Sicher, bevor sie den nächsten Geschäftstermin haben.“

Bereits in den frühen 90er Jahren, als das Wort Vorsorge in den meisten Zahnarztpraxen noch unbekannt war, baute Heibach eine Prophylaxeabteilung in seiner Stammpraxis in Rösrath bei Köln auf. „Vorsorge stärkt die Eigenverantwortung und macht die Ärzte selbst mehr und mehr zu Partnern und Unterstützern der Patienten“, ist Jochem Heibach überzeugt.

Und so kann die Halitosis-Behandlung als Früherkennungsinstrument nicht nur ernsthaften Erkrankungen im Mund und Rachenraum vorbeugen, sondern auch dem ein oder anderen unerwünschten Geschenk.

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Lebst Du noch oder wohnst Du schon?

Nicht Möbel, sondern Menschen machen das Leben lebenswert – auch und vor allem im Alter. Dabei erfreuen sich alternative Wohnformen wachsender Beliebtheit. Der demographische Wandel und die Unzufriedenheit mit Alten- und Pflegeheimen führen zu neuen Wegen des Wohnens.

Leben im Alter – immer noch verbinden viele damit das Bild von trostlosen Altenheimen, abgeschobenen Senioren, von Demenz, Krankheit und Einsamkeit. Doch eine wachsende Zahl von Menschen sucht nach Möglichkeiten im Alter selbstbestimmt zu leben. Neue Wohnformen im Alter erfreuen sich wachsender Beliebtheit, und doch sind sie vielfach noch unbekannt. Möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, warum die Entscheidung darüber, wo wir im Alter leben möchten, so lange heraus gezögert wird.

Nicht die Initiative aus der Hand geben

„Dabei sollte man die Entscheidung darüber, wo man im Alter leben möchte, so früh wie möglich treffen“, meint Margot Opoku- Böhler. Die Leiterin des Vereins „Neues Wohnen im Alter“, in Köln lebt selbst seit 12 Jahren in einem Kölner Wohnprojekt, in dem Alt und Jung neben- und miteinander wohnen. „Wer erst dann aktiv wird, wenn ein Leben ohne fremde Hilfe nicht mehr möglich ist, gibt die Initiative zum selbstbestimmten Handeln aus der Hand.“

Immerhin wollen rund 80 Prozent der Älteren so lange wie möglich – auch im Fall von Hilfe- oder Betreuungsbedürftigkeit – in ihrer eigenen Wohnung bleiben. Darum macht es durchaus Sinn, sich frühzeitig um alternative Wohnprojekte zu bemühen, die die Möglichkeit bieten, auch im Alter in vertrauter Atmosphäre zu leben und dabei gleichzeitig über ein dichtes soziales Netz zu verfügen. Gerade dies sei, erklärt Margot Opoku-Böhler im Gespräch mit Rhein-Onliner, ein erfolgreicher Weg, um auch im Alter noch aktiv und gesund zu bleiben.

Beugen soziale Kontakte Demenz vor?

„Zwar gibt es keine empirischen Studien darüber, dass gute soziale Kontakte im Alter ein Mittel gegen Demenz sind. Doch meine Beobachtungen und Erfahrungen zeigen ganz klar, dass ältere Menschen, die im Kontakt mit anderen sind, die sinnvolle Aufgaben haben und ihre Erfahrungen im Umgang besonders mit jüngeren Menschen einbringen, lange nicht so schnell abbauen, wie Menschen, die allein in ihrer Wohnung leben und keiner sinnstiftenden Beschäftigung mehr nachgehen.“

„Es geht um Integration und nicht um Ausgrenzung“

Der Verbleib in der eigenen Wohnung führt nicht selten dazu, dass sich ältere Menschen von der Gesellschaft isolieren. Das wiederum hat nicht selten zur Folge, dass sie die Fähigkeit zum sozialen Kontakt mehr und mehr verlieren. In diesem Stadium kann eine selbstbestimmte Entscheidung über die Wohnsituation kaum mehr getroffen werden. Dann müssen Kinder und Angehörige entscheiden. Meist führt dieser Weg ins Alten- oder Pflegeheim, wo die gesellschaftliche Isolierung sich fortsetzt. Genau dieser fatalen Entwicklung wollen die alternativen Wohnprojekte entgegenwirken. „Es geht um Integration und eben nicht um Ausgrenzung“, betont Margot Opoku-Böhler. „Natürlich muss jeder selbst wissen, wann er sich mit dem Thema auseinandersetzt. Aber je länger man zuwartet, umso schwieriger wird die Entscheidung – für alle Beteiligten.“

Alle Generationen profitieren

Es ist ein Irrtum, zu glauben „Wohnen im Alter“ sei ausschließlich ein Seniorenthema. „Ganz im Gegenteil“, sagt Margot Opoku-Böhler. „Wir haben heute bereits die dritte Generation der Wohnprojekte. Und bei den neueren gibt es bereits viel mehr jüngere Menschen, die dort wohnen; junge Familien mit Kindern etwa. Das tolle daran ist, dass die Kinder bei solchen Projekten gemeinsam aufwachsen. Außerdem profitieren sie nicht nur von den anderen Kindern im Projekt, sondern auch von den älteren Bewohnern.“

„Wohnformen im Alter, das ist eine politische und gesellschaftliche Querschnittsaufgabe. Doch die Politik tun nach wie vor zu wenig. Und viele Interessenten und Initiatoren von alternativen Wohnprojekten trauen der Politik nicht. Schließlich stellt der demographische Wandel die Gesellschaft vor mehr oder weniger vollendete Tatsachen und darum nehmen immer mehr Menschen das Thema Wohnen im Alter selbst in die Hand.“

Unterstützung bei Planung und Entwicklung von Wohnprojekten

Wer sich entschließt, in ein Wohnprojekt zu ziehen oder gar selbst eines auf die Beine zu stellen, steht zuerst einmal vor der Frage: Wo finde ich solche Projekte und was muss ich tun, um mitzuwohnen? Wo bekomme ich Hilfe und Unterstützung? Hier sind die Beratungsstellen die ersten wichtigen Ansprechpartner. Sie vermitteln nicht nur zu Gruppen und Projekten, die für die „Wohnungssuchenden“ von Interesse sein können, sondern sie geben darüber hinaus wichtige Informationen und Hilfestellungen, wenn es darum geht ein eigenes Wohnprojekt auf die Beine zu stellen. Dass solche Versuche nicht einfach sind und der Erfolg oft einen langen Atem braucht, zeigt etwa das Projekt „Gute Hausgemeinschaft“ in Bad Honnef. Initiator Gerhard Sakowski hat schon mit zahlreichen interessierten Menschen gesprochen. Doch viele waren schließlich nicht bereit große Summen in ein solches Projekt zu investieren. Gemeinsam ein Wohnprojekt zu stemmen ist mit viel Arbeit und mindestens ebenso viel Bürokratie verbunden. Dabei können gerade in der ersten Planungs- und Entwicklungsphase alle Beteiligten Einfluss auf das Projekt nehmen und ihre Ideen, Vorstellungen und Wünsche einbringen.

In NRW gibt es mittlerweile 75 fertiggestellte Projekte, über 50 weitere sind geplant bzw. bereits im Bau befindlich. Der Trend zeigt deutlich, dass ein selbstbestimmtes, solidarisches und auf gegenseitige Hilfe und Unterstützung ausgerichtetes Leben und Wohnen im Alter ein Thema für alle Generationen ist.

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Petting und andere Kleinigkeiten

Waren das noch Zeiten, als die englische Sprache uns bei den ersten Hormonschüben der Pubertät beistand. Schmusen oder Fummeln waren eindeutig out: Petting war angesagt. Mittlerweile hat die inflationäre Verbreitung englischer Vokabeln dazu geführt, dass es für zahlreiche Worte überhaupt kein deutsches Äquivalent mehr gibt. Das mag man bedauern oder nicht.

Häuslicher Zielflug

Auf die jüngste, nicht gerade einfallsreiche Übernahme einer englischen Vokabel stieß ich auf der Internationalen Möbelmesse in Köln. Der Trend dieses Jahres, so Veranstalter und Aussteller optimistisch, sei das sogenannte „Homing". „Homing“ das kling ähnlich gequält wie „Fresh-Air-Snapping“. Tatsächlich jedoch stammt der Begriff „homing“ aus der Luftfahrt und meint nichts anderes, als den Zielflug eines Flugzeugs.

Doch Marketingstrategen sind ja bekanntlich besonders kreativ und schmerzfrei, wenn es um die Vermeidung, um nicht zu sagen: die Vernichtung der deutschen Sprache geht. Und so erklärte mir eine junge Frau, - höchstens zwanzig mag sie gewesen sein, was sie jedoch nicht daran gehindert hatte, eine dermaßen üppige Make-up-Schicht aufzulegen, dass man lange hätte kratzen müssen, um auf ihre Haut zu stoßen – sie erklärte mir also auf Nachfrage, dass „Homing“ eine Lebensart beschreibe, bei der das eigene Zuhause zum sozialen Lebensmittelpunkt werde. Dann zupfte sie etwas affektiert am Revers ihres grünen Kostüms und sah mich erwartungsvoll an.

Vokabeln des Scheiterns?

Ach, so! Früher hieß das einfach „wohnen“. Aber wir kaufen ja auch nicht mehr ein, sondern gehen shoppen, wir besuchen keine Veranstaltungen mehr, sondern Events; im Büro sitzen wir beim Meeting und nach der Arbeit geht’s zur After-Work-Party in stylisher Garderobe oder ins Wellness-Studio. Selbst beim Fluchen muss es heute etwas cooler klingen: Bewährte sich das anschaulich-abstoßende Wort „Scheiße“ über Generationen hinweg als Ausdruck zornigen Scheiterns, so ist es in den letzten Jahren zunehmend der zwar unmissverständlichen, aber weniger treffenden Vokabel „Fuck“ gewichen.

Doch statt den Verlust sprachlicher Kreativität zu beklagen, sollten wir uns mehr über die wahren Bereicherungen aus dem amerikanischen Sprachraum freuen. „Couch-Potato“ etwa gehört dazu. Der „Couch-Potato“ ist Ausdruck einer kulturellen Entwicklung, in der der Stubenhocker ziemlich alt, um nicht zu sagen: antiquiert aussieht. Wobei wir also wieder beim Zuhause als dem sozialen Lebensmittelpunkt sind - mit Chips und Fernbedienung.

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Vom Schmökern und vom Wissen

Beim Aufräumen fiel mir eine Illustrierte in die Hand, in der über das Ende der gedruckten Brockhaus-Enzyklopädie berichtet wird. Die aktuelle 21. Auflage werde wohl der letzte gedruckte Brockhaus überhaupt sein. Der Verlag setzt nun ganz aufs Internet. Der gute alte Brockhaus, der stolze Wissensschatz unserer Eltern und Großeltern, eineinhalb Meter repräsentative enzyklopädische Bildung, 30 schwere Bände Ausdruck bürgerlichen Bildungsbewusstseins und abendländische Traditionspflege, über Generationen eine einmalige (teure) Anschaffung fürs Leben.

Lexika gehörten über Generationen zur Grundausstattung jedes bürgerlichen Haushalts. Und wenn man sich keinen Brockhaus leisten konnte, dann gab es noch Meyers Enzyklopädisches Lexikon oder eines der zahlreichen Volkslexika. Denn selbst mit diesen konnte man lange Nachmittage, Abende oder Nächte verbringen und das machen, was ich bis heute mit Lexika verbinde und am liebsten mache: schmökern! Die Welt ein Sammelsurium irgendwo zwischen Talent, Talgdrüsen und Taliban, Talkshow, Talsperre und Talleyrand, Tamariske, Tambourin und Tangerine Dream; Querverweise von Band 7 zu Band 19 und von dort über Band 4 zu Band 1 und 12 und so immer weiter, stundenlang, bis alle Bände aufgeschlagen auf dem Fußboden liegen; im Universum blätternd, dem japanischen Meister buddhistischer Holzskulptur, Unkei, aus dem 12 Jahrhundert begegnen und, weil‘s gerade auf der selben Seite steht, noch den Artikel über Unkrautbekämpfungsmittel lesen. Draußen prasselt der Regen gegen die Fenster, es ist dunkel geworden. Die hypnotische Neugier hält mich gefangen zwischen zwei Buchdeckeln. Ich blättere und lese und folge dem ziellosen Pfad von Verweisen.

Die Welt ein Buch

Die Logik der Enzyklopädisten, das Wissen der Welt alphabetisch zu ordnen, ist nützlich und absurd zugleich. Nützlich, weil man schnell findet, was man sucht; absurd, weil nach Mieder gleich Mielke und nach der Tarifzone Tarik Ibn Sijad folgt. Die Vorstellung, dass die Welt sich ordnen lässt, dass ein logisches System das Wissen der Menschheit bündeln und verfügbar macht, dass man dem Universalitätsanspruch in Form eines Universallexikons, einer Enzyklopädie gerecht werden kann, diese Vorstellung wurde erst im 20. Jahrhundert erschüttert.
Einer der Gründe liegt in der Dynamisierung des Wissens; wachsende Spezialisierung und wachsendes Wissen selbst innerhalb immer kürzerer Zeitabstände, stellen die Dauerhaftigkeit von vermeintlich unerschütterlichem Wissen in Frage. Der Geschwindigkeit mit der neues Wissen erworben und bisher gültiges Wissen obsolet wird, kann eine Enzyklopädie wie der Brockhaus nicht Rechnung tragen; Recherche, Redaktion und Druck allein nehmen so viel Zeit in Anspruch, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Teile des Lexikons bereits veraltet sind. Wer aktuell informiert sein will, greift daher in die Tasten und befragt das Internet; genauer gesagt, er befragt Wikipedia. Der aktuelle gedruckte Brockhaus zählt rund 300.000 Stichworte. Das deutsche Wikipedia knapp 800.000, die freie, mehrsprachige Wikipedia-Enzyklopädie ist mit 10.000.000 Stichwörtern der Riese unter den Lexika.

Vorboten der Revolution

Doch das alleine sagt wenig. Aussagekräftiger und vor allem entscheidender für die Entscheidung dem Internet den Vorzug vor der gedruckten Ausgabe des Brockhaus zu geben, ist die Tatsache, dass sich eine internetbasierte Enzyklopädie editieren und verlinken lässt. Jede neue Entwicklung und jede aktuelle Veränderung geht direkt in den Artikel ein. Und die Verlinkung der Artikel bietet nicht nur ergänzende Informationen, sondern verführt zu dem, was im Buchzeitalter „schmökern“ hieß, es lädt zum „surfen“ ein. Der Traum vom universellen Wissen, wie ihn die Enzyklopädisten des 18. Jahrhunderts träumten, hat bis heute nichts von seiner visionären Kraft verloren. Die Vorrede zu den 1751 erschienenen ersten Veröffentlichung der Encyclopédie von Diderot und d’Alembert liest sich erstaunlich aktuell und zeitgemäß, und das Internet scheint die Fortsetzung ihres großen verlegerischen Projekts zu sein: „Bei der lexikalischen Zusammenfassung alles dessen, was in die Bereiche der Wissenschaften, der Kunst und des Handwerks gehört, muss es darum gehen, deren gegenseitige Verflechtungen sichtbar zu machen und mithilfe dieser Querverbindungen die ihnen zugrunde liegenden Prinzipien genauer zu erfassen [...] es geht darum, die entfernteren und näheren Beziehungen der Dinge aufzuzeigen, [...] ein allgemeines Bild der Anstrengungen des menschlichen Geistes auf allen Gebieten und in allen Jahrhunderten zu entwerfen.“ Dieses Verständnis von der Darstellung und Präsentation menschlichen Wissens war ein aufklärerisches. Es war den Herrschern der Zeit ein Dorn im Auge und die Autoren hatten gegen Druckverbote und Zensur zu kämpfen.
Die Encycopédie war ein wichtiger Vorbereiter der Französischen Revolution. Sie war Ausdruck eines sich verändernden Denkens, Ausdruck des Primats der Vernunft und Bekenntnis zu kritischem Denken. „Dieses Werk wird sicher mit der Zeit eine Umwandlung der Geister mit sich bringen, und ich hoffe, dass die Tyrannen, die Unterdrücker, die Fanatiker und die Intoleranten dabei nicht gewinnen werden. Wir werden der Menschheit gedient haben.“ schreibt Diderot. Heute, wo sich die Enzyklopädien vom gedruckten Buch verabschieden, wo das Wissen der Welt in seinen Verflechtungen und Querverbindungen in den Enzyklopädien im Internet zu finden ist, findet auch eine Umwandlung der Geister statt. Die Kritik gegenüber der vermeintlichen Flüchtigkeit und Unbeständigkeit des Internets ist hartnäckig. Nicht selten ist sie auch getragen von einer allgemeinen Technikfeindlichkeit und der Skepsis gegenüber neuen Entwicklungen, deren Folgen und Wirkungen nicht absehbar sind.

Wer ändert sich?

Nichts ersetzt den sinnlichen Genuss, den das Lesen eines Buches, den das Blättern in einem Lexikon verschafft. Sich in ein Buch zu versenken, die Welt um sich herum zu vergessen, einzutauchen in Geschichten und Biografien, gehört zum menschlichen Selbstverständnis. Nichts aber ersetzt auch den Nutzen des Internets als Medium, das der Veränderung, der Dynamik und der Halbwertszeit unseres Wissens wie kein anderes Rechnung trägt.
Der französische Historiker Roger Chartier schrieb den klugen Satz „Ein Buch ändert sich, indem wir uns ändern.“ Mit anderen Worten: unsere Lebens- und Erfahrungswelt bestimmt unseren Blick auf ein scheinbar so unveränderliches Ding wie ein Buch. Ein Buch, das wir nach mehreren Jahren ein zweites Mal lesen, ist in unserer Wahrnehmung nicht identisch mit demselben Buch, als wir es zum ersten Mal lasen. Veränderungen verunsichern und bereichern. Sie irritieren und sie treiben an.
Eine Enzyklopädie des menschlichen Wissens ist ein dauernder Prozess. Sie ist kein auf ewige Zeiten zwischen zwei Buchdeckeln eingeschlossenes Vermächtnis für die Nachwelt. Das hat auch der Brockhaus-Verlag in Form massiver Absatzschwierigkeiten zu spüren bekommen. Die Konsequenz, das Projekt Brockhaus Enzyklopädie in 30 gedruckten Bänden mit der 21. Auflage zu beenden und fortan nur noch im Internet präsent zu sein, ist das Ende einer Epoche und das Anerkenntnis einer sich ändernden Medienwelt. Es ist ein Schritt in die Zukunft, der Signalwirkung hat.

Literaturtipp: Die Welt der Encyclopédie. Ediert von Anette Selg und Rainer Wieland, Frankfurt a.M. 2001

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Von grauen Damen und neuen Ufern

Damals, zu Studentenzeiten, gehörte der Samstagmorgen für mich zu den echten Höhepunkten der Woche. Samstagmorgen nämlich hieß: ausgiebiges, bis in die Mittagsstunden zelebriertes Frühstück. Ausgiebig sowohl was den Kaffeekonsum, als auch was die Zeitungslektüre anbetraf.

Damals, als die Namen der Zeitungen noch groß und echte Namen waren, damals, als das Lesen der FAZ noch ein politisches Bekenntnis war, ebenso wie die Lektüre der Frankfurter Rundschau ein politisches Gegenbekenntnis, damals gab es auf dem deutschen Zeitungsmarkt rund 600 Zeitungen. Rund 250 mehr als heute. Ob es dadurch damals auch mehr Meinungs- und Informationsvielfalt gab, das wage ich heute zu bezweifeln. Mir jedenfalls reichten am Samstagmorgen meist vier oder fünf Zeitungen: Nachrichten aus aller Welt, Kommentare verschiedener politischer Richtungen, Hintergrundberichte, Reportagen, Feuilleton und ein bisschen Klatsch und Lokales. Ich vermisse keins der eingestampften, wegrationalisierten oder in überregionalen Ausgaben aufgegangenen Blätter. Schließlich gibt es sie ja noch, die großen, die bedeutenden Zeitungen: die „Süddeutsche Zeitung“, die „Welt“, die „Financial Times Deutschland“ und natürlich auch eine der bedeutendsten Zeitungen der Welt, um nicht zu sagen: die Zeitung schlechthin, die „New York Times“. Diese vielleicht aber nicht mehr lange. Denn nach den Worten ihres Herausgebers Arthur Ochs Sulzberger, ist die Einstellung der gedruckten „New York Times“, der „Gray Lady“, wie sie respektvoll genannt wird, nicht ausgeschlossen. Ob die „New York Times“ in fünf Jahren noch gedruckt werde, sei ihm „egal“.

In Anbetracht der Hysterie, in die deutsche Zeitungsverleger mit Blick auf sinkende Auflagen, wegbrechende Anzeigenkunden und schwindende Leserzahlen verfallen, ist die Gelassenheit von Arthur Sulzburger überraschend. Denn auch die Verlagsgruppe der „New York Times“ hat im vergangenen Jahr kräftige Verluste eingefahren. Von 570 Mio. Dollar ist die Rede. Deutsche Verleger wären angesichts solcher Einbußen vermutlich schon ins Koma gefallen. Sulzberger aber ist nervenstark, zudem Optimist und Pragmatiker. Unter den im Internet vertretenen Zeitungen ist die „New York Times“ führend. Im vergangenen Jahr hat sie ihre Online-Leserschaft auf 1,5 Millionen pro Tag verdoppelt. Kein Wunder, nutzen doch nur 10% der US-Amerikaner die Zeitung als Nachrichtenquelle, gegenüber knapp 50%, die ihre Informationen in erster Linie aus dem Internet beziehen.

Die Zuspitzung der Medienkonzentration in Deutschland, der Anfang der 90er Jahre vor allem die Lokalzeitungen und ihre Redaktionen zum Opfer fielen, hat deutliche Spuren hinterlassen. Sie hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass große Zeitungsverlage sich heute nur zögernd oder unwillig dem Medium Internet öffnen. Zwar hat mittlerweile jede deutsche Zeitung einen Internetauftritt – vor gut zehn Jahren waren es weltweit gerade einmal 200 –, aber nach wie vor überwiegen in den Köpfen vieler Zeitungsverleger die Kampfvokabeln „Konkurrenz und Konfrontation“, wenn sie ans Internet denken.

Doch statt sich einer Entwicklung zu verweigern oder sich ihr sogar durch Hinweis auf die gewachsene Tradition der Zeitung entgegenzustellen, würden die Zeitungsverlage ihre traditionelle Rolle glaubhafter vermitteln, wenn sie sich auf eine der zentralen Säulen ihres Selbstverständnisses besinnen würden: ihre Aktualität. „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“ Mit diesem Versprechen wurden und werden Zeitungen gedruckt. Und das über Generationen mit Erfolg. Jede technische Möglichkeit, die eine größere Aktualität versprach – von den Nachrichtenagenturen über die Telegrafen bis hin zu Telefon und Fernschreiber – haben die Zeitungsverlage genutzt, um ihren Lesern ein Höchstmaß an Aktualität zu bieten und im Wettbewerb zu bestehen.
Heute müsste der lange gültige Slogan anders heißen: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von heute.“ Sicher kein Slogan, mit dem man erfolgreich wird. Tatsache aber ist, dass die aktuellsten Nachrichten und Informationen im Internet zu finden sind – lange bevor die Zeitung in Druck geht. Mit Konfrontation und Starrsinn ist hier nichts zu gewinnen. Gefragt sind Kooperation, Zusammenarbeit und die Nutzung von Synergien.

Arthur Sulzberger meint, dass sich seine Zeitung, die graue Dame „New York Times“ auf einer Reise befinde, einer Reise, die an dem Tag zu Ende gehe, an dem das Unternehmen entscheide, das Blatt nicht länger zu drucken. Den Aufbruch des amerikanischen Verlegers, auf zu neuen Ufern, teilen die meisten seiner deutschen Kollegen nicht. Sie hocken auf den Bäumen und sehen zu, wie das Wasser steigt. Sie laufen Gefahr, dass der Strom der Veränderung an ihnen vorbei zieht. Und sie bauen keine Boote, sondern harren mürrisch aus, in der Hoffnung, dass das Internet nur ein böser Albtraum ist, aus dem sie bei Tagesanbruch erwachen. „Damals“ kommt nicht wieder. Und für viele wird die Zeit knapp, aus ihren Zeitungen noch fahrtüchtige Boote zu falten.

Anders, besonders, austauschbar. Oder: Wie Städte ihren Ruf ruinieren.

„Mein Spree-Athen“, „Paris des Ostens“, „Venedig des Nordens“ oder „Nizza am Rhein“… Die meisten Vergleiche hinken meistens etwas, manche sogar sehr. Warum Warschau und Shanghai die Etikette „Paris des Ostens“ anhängt, ist ausgesprochen unglücklich. Und dass sowohl Amsterdam, Stockholm, St. Petersburg und zahlreiche unbedeutendere Städte mit dem Zusatz „Venedig des Nordens“ versehen werden, ärgert mich. Sich mit fremden Federn zu schmücken, statt die Einzigartigkeit einer Stadt oder Region herauszustellen und zu kultivieren, zeugt von einer Mischung aus Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn. Vom Image bedeutender Metropolen zu profitieren ist ein beliebtes Mittel des Stadtmarketing.

Ein billiges Mittel wie ich finde. Billig, einfallslos und in vielen Fällen auch noch zur Lächerlichkeit verdammt. „Venedig des Nordens“, das ist nicht das Original, das ist zweite Wahl, eine Kopie, selten ein kleiner Bruder, im besten Falle eine geltungssüchtige Schwester. Venedig ist Venedig. Und Nizza? Sind Sie schon einmal in Nizza gewesen? Haben Sie schon einmal vor dem Gare de Nice gestanden oder vor dem klassizistischen Rathaus von Nizza? Sind Sie schon einmal nachts über den Strandboulevard geschlendert, vorbei an Palmen und haben dann die Côte d'Azur entlang geblickt, in Richtung Monaco oder Antibes? Wenn nicht, dann versuchen Sie es doch einmal im Nizza am Rhein. Werfen Sie einen Blick auf den belebten Hauptbahnhof, genießen Sie die unverwechselbare Atmosphäre vor dem städtischen Rathaus, und flanieren Sie auf den breiten von authentischen Pflanzkübeln gesäumten Boulevards. Wie prominent der Schöpfer des fragwürdigen Vergleichs, Bad Honnef sei das Deutsche Nizza am Rhein, auch sein mag: selbst Universalgelehrte wie Alexander von Humboldt können mal daneben liegen. Außerdem: sprach er nun vom rheinischen Nizza, vom deutschen Nizza am Rhein und meinte er überhaupt Bad Honnef oder hatte er doch eher Linz im Sinn?

Sollte sich nach Ihrem Rundgang durch Bad Honnef also kein echtes Nizza-Feeling einstellen, ist das noch lange kein Grund zur Beunruhigung. Denn andere Städte sind in der Wahl ihres Slogans noch schmerzfreier. Beispiel Halle. Dort heißt es kurz und unmissverständlich: „Halle, die Stadt“, also nicht zu verwechseln mit „Halle, die Turnhalle“. Um sich von der nimmermüden und erbarmungslosen Konkurrenz möglichst deutlich abzusetzen, möchten sich viele Städte „anders“ darstellen. Besonders gelungen: „Wien ist anders“ oder „Hückelhoven - immer anders“ und schließlich von unschlagbarer Originalität: „Ludwigshafen: überraschend anders“. Unsere Nachbarn werden uns beneiden. Denn ein solches Feuerwerk an Kreativität und Unverwechselbarkeit findet sich wohl nur in Deutschland, dem „Land der Ideen“.

Statt kostspielige Aufträge an Agenturen zu vergeben, deren Herz für alles Mögliche, nur nicht für die Stadt und ihre Menschen schlägt, haben einige Städte das Sparmodell entdeckt. Aus den Reihen der städtischen Verwaltungsbeamten werden dazu einfach die „besten“ Vorschläge ausgewählt. Vorteil: kurze Wege, geringer Aufwand und garantiert keine lästige Bürgerbeteiligung. Nachteil: Die Resultate taugen meist gerade mal für den Papierkorb.

Der Rhein-Sieg-Kreis hat sich nun auch für die kostengünstige Variante entschieden. Dafür aber mit Bürgerbeteiligung. Zum Jubiläum „40 Jahre Rhein-Sieg-Kreis“ ruft der Landrat Frithjof Kühn einen Wettbewerb aus. Gesucht wird ein markanter Satz, „eine anschauliche Formulierung“ oder eine „aussagekräftige Wortgruppe“. Der Slogan sollte „kurz, prägnant“ und ganz wichtig! „treffend“ sein. Dafür gibt’s dann eine Urkunde und 500,- Euro. Na, bravo! Mir kommt das alles etwas provinziell vor, gut gemeint und hausbacken. Wie wär’s mit „Image fängt beim Inhalt an“?

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LESEZEICHEN: Haare Krishna

Friseure sind produktive Vermarkter. Auf diesen Gedanken zumindest kann man kommen, wenn man die Vielzahl der Geschäftsnamen betrachtet, mit denen sich meist kleine bis mittlere Handwerksbetriebe der schneidenden Zunft schmücken. Die Konkurrenz im Gewerbe von Schnitten und Frisuren ist groß. In vielen Städten sind ganze Straßenzüge mit Friseurgeschäften gepflastert. Und neben Pizzaservice und Frittenbude ist wohl kein anderes Gewerbe dermaßen beliebt bei jungen Gründern, wie das Friseurhandwerk. Gegessen und getrunken wird immer, heißt es. Und Haare? Sie wachsen gewöhnlich unkontrolliert und zur Freude der Friseure unaufhörlich und immer wieder nach.

Wo ein Angebot sich nicht vom anderen unterscheidet, da ist Originalität gefragt – Originalität in der Vermarktung. Was im Fachjargon „Alleinstellungsmerkmal“ heißt, also die Darstellung dessen, was ein Unternehmen von der Konkurrenz eindeutig unterscheidet und abgrenzt, heißt beim gemeinen Friseurgewerbe ganz einfach: ein origineller Name muss her!

Was die Kreativwerkstatt der Haardesigner sprachlich auf die Schaufensterscheiben bringt, lässt mir teilweise allerdings die Haare zu Berge stehen:
„Kopfsache“, „Kopfarbeit“ und „Hauptsache“ sind mittlerweile gnadenlose „Klassiker“, also Namen von Geschäften, an denen man vorbeigeht, weil es da offenbar nicht Neues gibt. „Haargenau“ ist haargenau das, was mich nicht neugierig macht, ebenso wenig wie „Haarmonie“ oder „Haarklinik“. Letztere ist ohnehin eher zum Weglaufen; wer will mit seinen Haaren schon ins Krankenhaus. Auch „Haaralarm“ erinnert mich eher an schrille Frisuren und haarige Experimente. Da gefallen mir „Haar-Stübchen“ oder „Lockenstube“ schon besser. „Haarzogtum“ ist reichlich an den Haaren herbeigezogen; wohingegen sich „Lockenbaron“, „Struwelpeter“ und auch „Locke & Glatze“ durchaus locker vom glatt gebürsteten Einerlei abheben. „Haarscharf“ und „pro Kopf“, „hair affair“ und „hair flair“ sind eindeutig schwach verglichen mit „haarspree“, einem Namen, der natürlich nur in Berlin funktioniert.

Haare hin, Glatze her: was der Kunde sucht - machen wir uns nichts vor - ist ein Haarschnitt, der zufriedenstellt. Ein mehr, meist jedoch weniger origineller Name reicht da nicht aus. Und wenn es darum geht, ein gutes Image zu etablieren, so taugen Namen nur dann zur Imagebildung, wenn Qualität und Service stimmen, wenn ich gut bedient werde, mit dem Ergebnis zufrieden bin und schließlich gerne wiederkomme. Wenn der Haarschnitt misslungen ist, taugt auch der beste Name nichts.

Namen sind kostbar. Sie sind Imageträger. Sie leben vom Engagement und von der Leistung eines Unternehmens. Wo diese fehlen, wird auch der Name selbst zum Träger von Defiziten.

Was für Friseure gilt, gilt auch für andere Branchen. Namen sind eyecatcher, die ihr Versprechen täglich aufs Neue einlösen müssen.
Übrigens: mein Friseur heißt schlicht „Friseur Schmitz“. Den Namen behalte ich nach jedem Besuch in guter Erinnerung.

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Sind Sie ein Umweltaktivist?

Erinnern Sie sich noch an den 25. November 1973? Es war ein Sonntag. Und es war ein ganz besonders ruhiger, ein stiller Sonntag. Der 25. November vor 35 Jahren war der erste von insgesamt vier autofreien Sonntagen in der Bundesrepublik. Eingeführt worden war er als Reaktion auf die damalige Energiekrise. Ein zwei Wochen zuvor verabschiedetes Gesetz machte es möglich, und Fußgänger und Fahrradfahrer bevölkerten scharenweise die freien Autobahnen. Bereits Monate zuvor hatten sich deutschlandweit Fahrgemeinschaften gebildet. Statt allein im eigenen PKW zur Arbeit zu fahren, waren die Autos jetzt zunehmend mit ein, zwei oder drei Mitfahrern besetzt. Man wechselte sich ab, knüpfte neue Kontakte und freute sich bereits auf den nächsten autofreien Sonntag. Und Tramper gab es damals auch noch.

Wie sich die Zeiten ändern. An autofreie Sonntage denkt hierzulande niemand mehr, und statt der Gründung von Fahrgemeinschaften hat jeder Tramper heute sein eigenes Auto und damit sein Dasein als gesellschaftliche Randgruppe selbst ausgelöscht. Stattdessen wachsen die Klagen über steigende Energiepreise. Außer zaghaften Boykottaufrufen fügt man sich ganz offenbar ins Unvermeidliche. Natürlich wird gejammert. Aber ebenso natürlich wird getankt. Und wenn man den Angaben der Mineralölwirtschaft glauben darf, dann sparen die Verbraucher nicht am Sprit und suchen auch nicht nach alternativen Fortbewegungsarten. Wie auch? Wer täglich 70 km zur Arbeit fahren muss, kann schwerlich aufs Fahrrad umsteigen. Und mit der systematischen Stilllegung zahlreicher Nebenstrecken, stellt die Bahn für viele Berufspendler auch keine Alternative dar. Die Zahl der PKW-Neuzulassungen sank dennoch 2007 gegenüber dem Vorjahr um 9,2 %.

Aus Protest gegen die hohen Spritpreise hat nun ein 30 Jahre alter Arbeitsloser aus Bayern in Frankfurt am Main sein eigenes Auto abgefackelt. Die Polizei berichtet, dass der Mann seinen Protest eigentlich in Berlin habe vorbringen wollen. Ob er den Weg dorthin nicht gefunden hat oder aber ob die Tankfüllung nur bis Frankfurt gereicht hat, ist nicht bekannt. Der verzweifelte Mann ist wohl etwas zu kurz gesprungen. Nun wird er sich wegen Luft- oder Bodenverschmutzung verantworten müssen. Immerhin hatte er das Fahrzeug abseits geparkt, so dass man ihn wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung nicht wird belangen können.

Diese brachiale Methode ist sicher nicht geeignet Einfluss auf die Energiepreise zu nehmen. Den Schaden hat der Verursacher. Intelligenter Umweltaktivismus sieht anders aus. Wie wär‘s mit einem freiwilligen autofreien Sonntag oder der Gründung einer Fahrgemeinschaft? Vielleicht fragen Sie nächste Woche mal Ihren Chef, ob sie sich in Zukunft die Fahrten zur Arbeit mit ihm teilen können. Das würde Sie als kostenbewussten und sparsamen Mitarbeiter auszeichnen und Ihren Chef, sollte er Ihr Angebot ausschlagen, vielleicht dazu bewegen, Ihnen stattdessen eine Gehaltserhöhung zu geben.

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Geh was raus spielen, Opa!

Gut, die Alten werden immer jünger. Aber ob man deshalb gleich Spielplätze für sie einrichten soll? In Troisdorf jedenfalls macht sich genau dafür jetzt der Kommunalpolitiker Leo Müller stark. Wenn es nach ihm ginge, würden bald neben den Kinderspielplätzen, die im regelbesessenen Deutschland nur von Menschen bis zum zwölften Lebensjahr genutzt werden dürfen, Seniorenspielplätze entstehen – ausgestattet dann natürlich nicht mit Rutsche, Sandkasten und Klettergerüst, sondern mit altersgerechten Geräten.
Immerhin ist es bei unseren französischen Nachbarn Tradition, dass sich die Alten im Stadtpark zum gemeinsamen Boule-Spiel treffen. In Spanien gibt es bereits seit Jahren Seniorensport im Outdoorpark und in China gehört die kollektive Turnstunde für Rentner mitten in der Stadt zum Alltag.
Hierzulande gibt es zwar zahlreiche Sportvereine, Volkshochschulen und private Initiativen, die Sportprogramme für Senioren anbieten. Im öffentlichen Leben allerdings sucht man Plätze, auf denen Menschen über 60 sportlich aktiv sein können, vergeblich.
Der alte Deutsche oder der deutsche Alte verlegt seine Aktivitäten entweder in die eigenen vier Wände, wo er am Hometrainer für körperliche Ertüchtigung sorgt, oder er geht in die öffentlichen Hallenbäder, wo er sich meist zu kleinen Gruppen Gleichgesinnter zusammenschließt und zwischen sieben und acht Uhr morgens, bevor die Schulklassen die Bäder stürmen, stumm seine Bahnen zieht. Vermehrt werden seit einigen Jahren auch die sogenannten Nordic-Walker gesichtet. Sie gehören aber aufgrund ihrer raumgreifenden und mitunter etwas lächerlich anmutenden Betätigung zu dem Seniorenkreis, den man innerstädtisch vergeblich sucht. Dieser Spezies begegnet man eher an Uferpromenaden und auf Waldwegen. Nur vereinzelt verirren sich Nordic-Walker in Fußgängerzonen oder Einkaufsstraßen. Das ist auch gut so. Denn Horden solcher Geronto-Aktivisten würden nicht nur das Fortkommen in den Innenstädten erschweren, sie böten ausländischen Gästen auch ein ausgesprochen verzerrtes Bild deutscher Gemütlichkeit.
Der Vorstoß aus Troisdorf ist nicht neu. Der erste Seniorenspielplatz wurde bereits Ende der 90er Jahr im niedersächsischen Schöningen errichtet. Nahe Münster entstand im vergangenen Jahr ein sogenannter Generationenpark – was wohl nur ein anderes Wort für einen Spielplatz ohne Altersbeschränkung ist. Mittlerweile dürfen die Alten auch in Berlin, Frankfurt, Nürnberg und München wieder spielen.
Andere Städte wollen folgen. Bei der Planung, so die Behörden, sei in jedem Fall darauf zu achten, dass die Spielplätze für die letzten Lebensjahre gut einsehbar seien. Im Klartext: wenn die Oma von der Wippe fällt, soll das möglichst jeder mitbekommen, um schnell Hilfe zu holen.
Werden also bald die Parkbänke verschwinden und von Fitnessgeräten für Senioren ersetzt? Gehören all die poetischen Orte, wo die Alten sitzen und den Enkeln beim Spielen zuschauen, bald der Vergangenheit an. Die Gattung „Opa-geht-mit-Enkel-Enten-füttern“ ist endgültig im Aussterben begriffen. Die Zukunft wird uns braungebrannte und durchtrainierte Alte bescheren, 90jährige Skateboard-Fahrer, die auf der städtischen Senioren-Halfpipe abhängen, während ihre Kinder für die Rente ab 75 kämpfen.
Früher war sogar die Zukunft besser.

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