Lebst Du noch oder wohnst Du schon?
Nicht Möbel, sondern Menschen machen das Leben lebenswert – auch und vor allem im Alter. Dabei erfreuen sich alternative Wohnformen wachsender Beliebtheit. Der demographische Wandel und die Unzufriedenheit mit Alten- und Pflegeheimen führen zu neuen Wegen des Wohnens.
Leben im Alter – immer noch verbinden viele damit das Bild von trostlosen Altenheimen, abgeschobenen Senioren, von Demenz, Krankheit und Einsamkeit. Doch eine wachsende Zahl von Menschen sucht nach Möglichkeiten im Alter selbstbestimmt zu leben. Neue Wohnformen im Alter erfreuen sich wachsender Beliebtheit, und doch sind sie vielfach noch unbekannt. Möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, warum die Entscheidung darüber, wo wir im Alter leben möchten, so lange heraus gezögert wird.
Nicht die Initiative aus der Hand geben
„Dabei sollte man die Entscheidung darüber, wo man im Alter leben möchte, so früh wie möglich treffen“, meint Margot Opoku- Böhler. Die Leiterin des Vereins „Neues Wohnen im Alter“, in Köln lebt selbst seit 12 Jahren in einem Kölner Wohnprojekt, in dem Alt und Jung neben- und miteinander wohnen. „Wer erst dann aktiv wird, wenn ein Leben ohne fremde Hilfe nicht mehr möglich ist, gibt die Initiative zum selbstbestimmten Handeln aus der Hand.“
Immerhin wollen rund 80 Prozent der Älteren so lange wie möglich – auch im Fall von Hilfe- oder Betreuungsbedürftigkeit – in ihrer eigenen Wohnung bleiben. Darum macht es durchaus Sinn, sich frühzeitig um alternative Wohnprojekte zu bemühen, die die Möglichkeit bieten, auch im Alter in vertrauter Atmosphäre zu leben und dabei gleichzeitig über ein dichtes soziales Netz zu verfügen. Gerade dies sei, erklärt Margot Opoku-Böhler im Gespräch mit Rhein-Onliner, ein erfolgreicher Weg, um auch im Alter noch aktiv und gesund zu bleiben.
Beugen soziale Kontakte Demenz vor?
„Zwar gibt es keine empirischen Studien darüber, dass gute soziale Kontakte im Alter ein Mittel gegen Demenz sind. Doch meine Beobachtungen und Erfahrungen zeigen ganz klar, dass ältere Menschen, die im Kontakt mit anderen sind, die sinnvolle Aufgaben haben und ihre Erfahrungen im Umgang besonders mit jüngeren Menschen einbringen, lange nicht so schnell abbauen, wie Menschen, die allein in ihrer Wohnung leben und keiner sinnstiftenden Beschäftigung mehr nachgehen.“
„Es geht um Integration und nicht um Ausgrenzung“
Der Verbleib in der eigenen Wohnung führt nicht selten dazu, dass sich ältere Menschen von der Gesellschaft isolieren. Das wiederum hat nicht selten zur Folge, dass sie die Fähigkeit zum sozialen Kontakt mehr und mehr verlieren. In diesem Stadium kann eine selbstbestimmte Entscheidung über die Wohnsituation kaum mehr getroffen werden. Dann müssen Kinder und Angehörige entscheiden. Meist führt dieser Weg ins Alten- oder Pflegeheim, wo die gesellschaftliche Isolierung sich fortsetzt. Genau dieser fatalen Entwicklung wollen die alternativen Wohnprojekte entgegenwirken. „Es geht um Integration und eben nicht um Ausgrenzung“, betont Margot Opoku-Böhler. „Natürlich muss jeder selbst wissen, wann er sich mit dem Thema auseinandersetzt. Aber je länger man zuwartet, umso schwieriger wird die Entscheidung – für alle Beteiligten.“
Alle Generationen profitieren
Es ist ein Irrtum, zu glauben „Wohnen im Alter“ sei ausschließlich ein Seniorenthema. „Ganz im Gegenteil“, sagt Margot Opoku-Böhler. „Wir haben heute bereits die dritte Generation der Wohnprojekte. Und bei den neueren gibt es bereits viel mehr jüngere Menschen, die dort wohnen; junge Familien mit Kindern etwa. Das tolle daran ist, dass die Kinder bei solchen Projekten gemeinsam aufwachsen. Außerdem profitieren sie nicht nur von den anderen Kindern im Projekt, sondern auch von den älteren Bewohnern.“
„Wohnformen im Alter, das ist eine politische und gesellschaftliche Querschnittsaufgabe. Doch die Politik tun nach wie vor zu wenig. Und viele Interessenten und Initiatoren von alternativen Wohnprojekten trauen der Politik nicht. Schließlich stellt der demographische Wandel die Gesellschaft vor mehr oder weniger vollendete Tatsachen und darum nehmen immer mehr Menschen das Thema Wohnen im Alter selbst in die Hand.“
Unterstützung bei Planung und Entwicklung von Wohnprojekten
Wer sich entschließt, in ein Wohnprojekt zu ziehen oder gar selbst eines auf die Beine zu stellen, steht zuerst einmal vor der Frage: Wo finde ich solche Projekte und was muss ich tun, um mitzuwohnen? Wo bekomme ich Hilfe und Unterstützung? Hier sind die Beratungsstellen die ersten wichtigen Ansprechpartner. Sie vermitteln nicht nur zu Gruppen und Projekten, die für die „Wohnungssuchenden“ von Interesse sein können, sondern sie geben darüber hinaus wichtige Informationen und Hilfestellungen, wenn es darum geht ein eigenes Wohnprojekt auf die Beine zu stellen. Dass solche Versuche nicht einfach sind und der Erfolg oft einen langen Atem braucht, zeigt etwa das Projekt „Gute Hausgemeinschaft“ in Bad Honnef. Initiator Gerhard Sakowski hat schon mit zahlreichen interessierten Menschen gesprochen. Doch viele waren schließlich nicht bereit große Summen in ein solches Projekt zu investieren. Gemeinsam ein Wohnprojekt zu stemmen ist mit viel Arbeit und mindestens ebenso viel Bürokratie verbunden. Dabei können gerade in der ersten Planungs- und Entwicklungsphase alle Beteiligten Einfluss auf das Projekt nehmen und ihre Ideen, Vorstellungen und Wünsche einbringen.
In NRW gibt es mittlerweile 75 fertiggestellte Projekte, über 50 weitere sind geplant bzw. bereits im Bau befindlich. Der Trend zeigt deutlich, dass ein selbstbestimmtes, solidarisches und auf gegenseitige Hilfe und Unterstützung ausgerichtetes Leben und Wohnen im Alter ein Thema für alle Generationen ist.
Dieser Beitrag erscheint, ebenso wie weitere "Lesezeichen", bei Rhein-Onliner, dem Magazin für eine bessere Welt. Dort finden Sie auch weitere Links zum Thema.
Leben im Alter – immer noch verbinden viele damit das Bild von trostlosen Altenheimen, abgeschobenen Senioren, von Demenz, Krankheit und Einsamkeit. Doch eine wachsende Zahl von Menschen sucht nach Möglichkeiten im Alter selbstbestimmt zu leben. Neue Wohnformen im Alter erfreuen sich wachsender Beliebtheit, und doch sind sie vielfach noch unbekannt. Möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, warum die Entscheidung darüber, wo wir im Alter leben möchten, so lange heraus gezögert wird.
Nicht die Initiative aus der Hand geben
„Dabei sollte man die Entscheidung darüber, wo man im Alter leben möchte, so früh wie möglich treffen“, meint Margot Opoku- Böhler. Die Leiterin des Vereins „Neues Wohnen im Alter“, in Köln lebt selbst seit 12 Jahren in einem Kölner Wohnprojekt, in dem Alt und Jung neben- und miteinander wohnen. „Wer erst dann aktiv wird, wenn ein Leben ohne fremde Hilfe nicht mehr möglich ist, gibt die Initiative zum selbstbestimmten Handeln aus der Hand.“
Immerhin wollen rund 80 Prozent der Älteren so lange wie möglich – auch im Fall von Hilfe- oder Betreuungsbedürftigkeit – in ihrer eigenen Wohnung bleiben. Darum macht es durchaus Sinn, sich frühzeitig um alternative Wohnprojekte zu bemühen, die die Möglichkeit bieten, auch im Alter in vertrauter Atmosphäre zu leben und dabei gleichzeitig über ein dichtes soziales Netz zu verfügen. Gerade dies sei, erklärt Margot Opoku-Böhler im Gespräch mit Rhein-Onliner, ein erfolgreicher Weg, um auch im Alter noch aktiv und gesund zu bleiben.
Beugen soziale Kontakte Demenz vor?
„Zwar gibt es keine empirischen Studien darüber, dass gute soziale Kontakte im Alter ein Mittel gegen Demenz sind. Doch meine Beobachtungen und Erfahrungen zeigen ganz klar, dass ältere Menschen, die im Kontakt mit anderen sind, die sinnvolle Aufgaben haben und ihre Erfahrungen im Umgang besonders mit jüngeren Menschen einbringen, lange nicht so schnell abbauen, wie Menschen, die allein in ihrer Wohnung leben und keiner sinnstiftenden Beschäftigung mehr nachgehen.“
„Es geht um Integration und nicht um Ausgrenzung“
Der Verbleib in der eigenen Wohnung führt nicht selten dazu, dass sich ältere Menschen von der Gesellschaft isolieren. Das wiederum hat nicht selten zur Folge, dass sie die Fähigkeit zum sozialen Kontakt mehr und mehr verlieren. In diesem Stadium kann eine selbstbestimmte Entscheidung über die Wohnsituation kaum mehr getroffen werden. Dann müssen Kinder und Angehörige entscheiden. Meist führt dieser Weg ins Alten- oder Pflegeheim, wo die gesellschaftliche Isolierung sich fortsetzt. Genau dieser fatalen Entwicklung wollen die alternativen Wohnprojekte entgegenwirken. „Es geht um Integration und eben nicht um Ausgrenzung“, betont Margot Opoku-Böhler. „Natürlich muss jeder selbst wissen, wann er sich mit dem Thema auseinandersetzt. Aber je länger man zuwartet, umso schwieriger wird die Entscheidung – für alle Beteiligten.“
Alle Generationen profitieren
Es ist ein Irrtum, zu glauben „Wohnen im Alter“ sei ausschließlich ein Seniorenthema. „Ganz im Gegenteil“, sagt Margot Opoku-Böhler. „Wir haben heute bereits die dritte Generation der Wohnprojekte. Und bei den neueren gibt es bereits viel mehr jüngere Menschen, die dort wohnen; junge Familien mit Kindern etwa. Das tolle daran ist, dass die Kinder bei solchen Projekten gemeinsam aufwachsen. Außerdem profitieren sie nicht nur von den anderen Kindern im Projekt, sondern auch von den älteren Bewohnern.“
„Wohnformen im Alter, das ist eine politische und gesellschaftliche Querschnittsaufgabe. Doch die Politik tun nach wie vor zu wenig. Und viele Interessenten und Initiatoren von alternativen Wohnprojekten trauen der Politik nicht. Schließlich stellt der demographische Wandel die Gesellschaft vor mehr oder weniger vollendete Tatsachen und darum nehmen immer mehr Menschen das Thema Wohnen im Alter selbst in die Hand.“
Unterstützung bei Planung und Entwicklung von Wohnprojekten
Wer sich entschließt, in ein Wohnprojekt zu ziehen oder gar selbst eines auf die Beine zu stellen, steht zuerst einmal vor der Frage: Wo finde ich solche Projekte und was muss ich tun, um mitzuwohnen? Wo bekomme ich Hilfe und Unterstützung? Hier sind die Beratungsstellen die ersten wichtigen Ansprechpartner. Sie vermitteln nicht nur zu Gruppen und Projekten, die für die „Wohnungssuchenden“ von Interesse sein können, sondern sie geben darüber hinaus wichtige Informationen und Hilfestellungen, wenn es darum geht ein eigenes Wohnprojekt auf die Beine zu stellen. Dass solche Versuche nicht einfach sind und der Erfolg oft einen langen Atem braucht, zeigt etwa das Projekt „Gute Hausgemeinschaft“ in Bad Honnef. Initiator Gerhard Sakowski hat schon mit zahlreichen interessierten Menschen gesprochen. Doch viele waren schließlich nicht bereit große Summen in ein solches Projekt zu investieren. Gemeinsam ein Wohnprojekt zu stemmen ist mit viel Arbeit und mindestens ebenso viel Bürokratie verbunden. Dabei können gerade in der ersten Planungs- und Entwicklungsphase alle Beteiligten Einfluss auf das Projekt nehmen und ihre Ideen, Vorstellungen und Wünsche einbringen.
In NRW gibt es mittlerweile 75 fertiggestellte Projekte, über 50 weitere sind geplant bzw. bereits im Bau befindlich. Der Trend zeigt deutlich, dass ein selbstbestimmtes, solidarisches und auf gegenseitige Hilfe und Unterstützung ausgerichtetes Leben und Wohnen im Alter ein Thema für alle Generationen ist.
Dieser Beitrag erscheint, ebenso wie weitere "Lesezeichen", bei Rhein-Onliner, dem Magazin für eine bessere Welt. Dort finden Sie auch weitere Links zum Thema.
colonna - 31. Mai, 19:43