Anders, besonders, austauschbar. Oder: Wie Städte ihren Ruf ruinieren.
„Mein Spree-Athen“, „Paris des Ostens“, „Venedig des Nordens“ oder „Nizza am Rhein“… Die meisten Vergleiche hinken meistens etwas, manche sogar sehr. Warum Warschau und Shanghai die Etikette „Paris des Ostens“ anhängt, ist ausgesprochen unglücklich. Und dass sowohl Amsterdam, Stockholm, St. Petersburg und zahlreiche unbedeutendere Städte mit dem Zusatz „Venedig des Nordens“ versehen werden, ärgert mich. Sich mit fremden Federn zu schmücken, statt die Einzigartigkeit einer Stadt oder Region herauszustellen und zu kultivieren, zeugt von einer Mischung aus Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn. Vom Image bedeutender Metropolen zu profitieren ist ein beliebtes Mittel des Stadtmarketing.
Ein billiges Mittel wie ich finde. Billig, einfallslos und in vielen Fällen auch noch zur Lächerlichkeit verdammt. „Venedig des Nordens“, das ist nicht das Original, das ist zweite Wahl, eine Kopie, selten ein kleiner Bruder, im besten Falle eine geltungssüchtige Schwester. Venedig ist Venedig. Und Nizza? Sind Sie schon einmal in Nizza gewesen? Haben Sie schon einmal vor dem Gare de Nice gestanden oder vor dem klassizistischen Rathaus von Nizza? Sind Sie schon einmal nachts über den Strandboulevard geschlendert, vorbei an Palmen und haben dann die Côte d'Azur entlang geblickt, in Richtung Monaco oder Antibes? Wenn nicht, dann versuchen Sie es doch einmal im Nizza am Rhein. Werfen Sie einen Blick auf den belebten Hauptbahnhof, genießen Sie die unverwechselbare Atmosphäre vor dem städtischen Rathaus, und flanieren Sie auf den breiten von authentischen Pflanzkübeln gesäumten Boulevards. Wie prominent der Schöpfer des fragwürdigen Vergleichs, Bad Honnef sei das Deutsche Nizza am Rhein, auch sein mag: selbst Universalgelehrte wie Alexander von Humboldt können mal daneben liegen. Außerdem: sprach er nun vom rheinischen Nizza, vom deutschen Nizza am Rhein und meinte er überhaupt Bad Honnef oder hatte er doch eher Linz im Sinn?
Sollte sich nach Ihrem Rundgang durch Bad Honnef also kein echtes Nizza-Feeling einstellen, ist das noch lange kein Grund zur Beunruhigung. Denn andere Städte sind in der Wahl ihres Slogans noch schmerzfreier. Beispiel Halle. Dort heißt es kurz und unmissverständlich: „Halle, die Stadt“, also nicht zu verwechseln mit „Halle, die Turnhalle“. Um sich von der nimmermüden und erbarmungslosen Konkurrenz möglichst deutlich abzusetzen, möchten sich viele Städte „anders“ darstellen. Besonders gelungen: „Wien ist anders“ oder „Hückelhoven - immer anders“ und schließlich von unschlagbarer Originalität: „Ludwigshafen: überraschend anders“. Unsere Nachbarn werden uns beneiden. Denn ein solches Feuerwerk an Kreativität und Unverwechselbarkeit findet sich wohl nur in Deutschland, dem „Land der Ideen“.
Statt kostspielige Aufträge an Agenturen zu vergeben, deren Herz für alles Mögliche, nur nicht für die Stadt und ihre Menschen schlägt, haben einige Städte das Sparmodell entdeckt. Aus den Reihen der städtischen Verwaltungsbeamten werden dazu einfach die „besten“ Vorschläge ausgewählt. Vorteil: kurze Wege, geringer Aufwand und garantiert keine lästige Bürgerbeteiligung. Nachteil: Die Resultate taugen meist gerade mal für den Papierkorb.
Der Rhein-Sieg-Kreis hat sich nun auch für die kostengünstige Variante entschieden. Dafür aber mit Bürgerbeteiligung. Zum Jubiläum „40 Jahre Rhein-Sieg-Kreis“ ruft der Landrat Frithjof Kühn einen Wettbewerb aus. Gesucht wird ein markanter Satz, „eine anschauliche Formulierung“ oder eine „aussagekräftige Wortgruppe“. Der Slogan sollte „kurz, prägnant“ und ganz wichtig! „treffend“ sein. Dafür gibt’s dann eine Urkunde und 500,- Euro. Na, bravo! Mir kommt das alles etwas provinziell vor, gut gemeint und hausbacken. Wie wär’s mit „Image fängt beim Inhalt an“?
Diese und alle bisher erschienenen Kolumnen finden Sie unter http://www.freiehonnefer.de/category/weltweit/lesezeichen
Ein billiges Mittel wie ich finde. Billig, einfallslos und in vielen Fällen auch noch zur Lächerlichkeit verdammt. „Venedig des Nordens“, das ist nicht das Original, das ist zweite Wahl, eine Kopie, selten ein kleiner Bruder, im besten Falle eine geltungssüchtige Schwester. Venedig ist Venedig. Und Nizza? Sind Sie schon einmal in Nizza gewesen? Haben Sie schon einmal vor dem Gare de Nice gestanden oder vor dem klassizistischen Rathaus von Nizza? Sind Sie schon einmal nachts über den Strandboulevard geschlendert, vorbei an Palmen und haben dann die Côte d'Azur entlang geblickt, in Richtung Monaco oder Antibes? Wenn nicht, dann versuchen Sie es doch einmal im Nizza am Rhein. Werfen Sie einen Blick auf den belebten Hauptbahnhof, genießen Sie die unverwechselbare Atmosphäre vor dem städtischen Rathaus, und flanieren Sie auf den breiten von authentischen Pflanzkübeln gesäumten Boulevards. Wie prominent der Schöpfer des fragwürdigen Vergleichs, Bad Honnef sei das Deutsche Nizza am Rhein, auch sein mag: selbst Universalgelehrte wie Alexander von Humboldt können mal daneben liegen. Außerdem: sprach er nun vom rheinischen Nizza, vom deutschen Nizza am Rhein und meinte er überhaupt Bad Honnef oder hatte er doch eher Linz im Sinn?
Sollte sich nach Ihrem Rundgang durch Bad Honnef also kein echtes Nizza-Feeling einstellen, ist das noch lange kein Grund zur Beunruhigung. Denn andere Städte sind in der Wahl ihres Slogans noch schmerzfreier. Beispiel Halle. Dort heißt es kurz und unmissverständlich: „Halle, die Stadt“, also nicht zu verwechseln mit „Halle, die Turnhalle“. Um sich von der nimmermüden und erbarmungslosen Konkurrenz möglichst deutlich abzusetzen, möchten sich viele Städte „anders“ darstellen. Besonders gelungen: „Wien ist anders“ oder „Hückelhoven - immer anders“ und schließlich von unschlagbarer Originalität: „Ludwigshafen: überraschend anders“. Unsere Nachbarn werden uns beneiden. Denn ein solches Feuerwerk an Kreativität und Unverwechselbarkeit findet sich wohl nur in Deutschland, dem „Land der Ideen“.
Statt kostspielige Aufträge an Agenturen zu vergeben, deren Herz für alles Mögliche, nur nicht für die Stadt und ihre Menschen schlägt, haben einige Städte das Sparmodell entdeckt. Aus den Reihen der städtischen Verwaltungsbeamten werden dazu einfach die „besten“ Vorschläge ausgewählt. Vorteil: kurze Wege, geringer Aufwand und garantiert keine lästige Bürgerbeteiligung. Nachteil: Die Resultate taugen meist gerade mal für den Papierkorb.
Der Rhein-Sieg-Kreis hat sich nun auch für die kostengünstige Variante entschieden. Dafür aber mit Bürgerbeteiligung. Zum Jubiläum „40 Jahre Rhein-Sieg-Kreis“ ruft der Landrat Frithjof Kühn einen Wettbewerb aus. Gesucht wird ein markanter Satz, „eine anschauliche Formulierung“ oder eine „aussagekräftige Wortgruppe“. Der Slogan sollte „kurz, prägnant“ und ganz wichtig! „treffend“ sein. Dafür gibt’s dann eine Urkunde und 500,- Euro. Na, bravo! Mir kommt das alles etwas provinziell vor, gut gemeint und hausbacken. Wie wär’s mit „Image fängt beim Inhalt an“?
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colonna - 4. Aug, 23:53